Wenn Leidenschaft für Denkmalpflege und Architektur zusammenkommen, kann ein charismatisch und einzigartiges denkmalgeschütztes Haus entstehen wie dieses: Das Haus der Architektin Wencke Bauer in der Augsburger Innenstadt erzählt Geschichte mindestens zurück bis ins 18. Jahrhundert. Noch bis vor einigen Jahren war es bekannt als das „Wirtshaus zum grünen Bäumle“, dessen geschwungener Schriftzug nach der Freilegung wieder die Fassade schmückt. Heute ist es Dank aufwendiger Sanierungsarbeiten ein stattliches Wohnhaus, dessen warme Ausstrahlung schon von außen spürbar ist. Von dieser besonderen Aura wurde auch die Augsburger Architektin fast magisch angezogen. Sie entdeckte im rohen, fast ruinösen Altzustand des Hauses ein Projekt, welches bis heute ihre Leidenschaft für Denkmalumbau zum Lodern bringt. Ihre Vision, den Charakter des Baudenkmals als authentisches Werk zu erhalten und gleichzeitig in ein zeitgemäß nutzbares Wohnobjekt zu verwandeln, hat sich erfüllt.
Denkmalgeschütztes Haus: Jedes Haus hat eine Seele
Wie ein Gärtner zu seinen Pflanzen, so hat auch die Architektin eine ganz besondere Verbindung zu vielen Bauwerken – insbesondere zu Bauten mit Geschichte. Kein Wunder, dass ihre Vorliebe für alte Häuser in die Fachrichtung Denkmalpflege und Sanierung historischer Bauten mündete. „Für viele nicht greifbar, doch beherbergt jedes Haus eine Seele“, so Frau Bauer. „Je mehr ein Haus erlebt hat, desto mehr Geschichte sammelt sich in seinen Wänden und die Ausstrahlung wird deutlich spürbar.“ Dabei gehe es sowohl um dessen einstige zweckgebundene Bestimmung als auch um die Menschen, die darin lebten oder verkehrten. Bautechnische Details am und im Haus sprächen eine Sprache, die dem schlichten Auge vieler Betrachter oft entgehe. „Als ich dieses Haus zum ersten Mal betrat, hatte ich sofort Bilder im Kopf, wie es einmal aussehen würde. Und genauso sieht es heute aus“, erzählt uns die Architektin mit einem fast stolzen Leuchten in den Augen.
Vom verkommenen Rohdiamanten zum denkmalgeschützten Wohnhaus
Dazwischen liegen vier Jahre schweißtreibende Arbeit, in denen das denkmalgeschützte Gasthaus zu einem Wohnhaus umgebaut und saniert wurde. Gerade in den letzten Jahrzehnten litt das Denkmal unter diversen nicht fachgerecht ausgeführten Umbauten: vom Wirtshaus zur Motorradkneipe, von der Kneipe zum Havanna Club, vom Club zur Pizzeria; meist nur kurzfristig gedacht und zum jeweiligen Zweck bestimmt. Angetrieben von einem tiefen Bestreben, das Baudenkmal von seiner Altlast durch die zahlreichen laienhaften Umbauten zu befreien, wurden sowohl Wasserschäden behoben, tonnenweise entrümpelt und Bauschutt beseitigt als auch alle Materialien entfernt, die dem Haus in seiner Substanz schadeten. Befreit von mehreren Schichten aus angesammeltem Plastik, von Folien über Dämmmaterialien bis hin zu PVC-Belägen, kann das Denkmal heute wieder atmen, wie es die Architektin beschreibt.
Aus Sachzwängen entsteht eine besondere Wohnqualität
Aus den beiden Häuserteilen entstand ein Haus mit drei bzw. vier Stockwerken mit mehreren Zimmern, Büro und ausbaufähigem Dachspitz. Der Boden im hinteren Teil des Hauses wurde um einen Meter abgegraben, um die einst 1,80 m niedrigen Räume auf 2,50 Meter zu erhöhen. Damit entstand ein befreites Wohngefühl mit spannenden Höhenversprüngen und mehreren Stufen. Der ehemalige Gastraum beherbergt heute das Wohn- und Esszimmer, die Küche behielt ihre Bestimmung. Fenster wurden zum Teil freigelegt und wieder auf ihr altes Maß vergrößert. Die Gaststätten-Toiletten wurden zum Badezimmer und Gäste-WC, das hintere Kühlhaus zum verglasten Anbau mit Blick auf die Terrasse. Die einstige Mauer, die den damals „kleinsten Biergarten Augsburgs“ von der Gasse abtrennte, wurde abgerissen und das Dach zu einer begehbaren Dachterrasse erweitert. Der offene, helle Charakter zieht sich konsequent durch alle Stockwerke, unterstrichen durch die reduzierte, puristische Innenausstattung.
Denkmalgeschütztes Haus – Denkmalumbau mit Sachverstand und Mut
Die Grundstruktur blieb auch nach der Sanierung komplett erhalten. Denn Denkmalumbau bedeutet, aus Vorhandenem Neues zu erschaffen. Die eingebrochene Decke im ersten Obergeschoss des heutigen Schlafzimmers wurde nicht wieder aufgebaut. Der Bauschaden erwies sich vielmehr als „Glücksfall“, denn so erstreckt sich die neue Raumhöhe über zwei Stockwerke; die intakten Deckenreste an der Seite bilden eine Galerie. Entgegen den Ratschlägen mehrerer Statiker vertraute die Architektin auf Ihren Sachverstand und auch in das Haus selbst. So traue man den alten Häusern oft viel zu wenig zu, was Statik und Wärmedämmwerte angehe, so Frau Bauer. „Gerade in alten Bauten gilt es zu verstehen, was neubautechnisch oft nicht zu verstehen ist. Statisch funktionieren Dinge, die rechnerisch eigentlich nicht funktionieren.“
Sie fühlte sich von Anfang an mit dem Baudenkmal verbunden. Bestärkt wurde sie dann in ihrer kreativen Arbeit durch das Haus selbst. „Es war, als ob es mich nahezu ermutigte: ‚Los, trau dich!‘“, erzählt Frau Bauer. Auf die Frage, woher das denkmalgeschützte Haus wohl seine ruhige, gute Ausstrahlung habe, überlegt sie kurz. Dann antwortet sie: „Vielleicht, weil es in ihm immer laut und ausgelassen zuging, da musste es einfach ein in sich ruhendes Gemüt entwickeln. Darüber hinaus war es immer ein Ort sowohl der Freude als auch der Zuflucht. Menschen kamen hierher, um zu feiern, zu trinken und eine gute Zeit zu haben. Ich glaube, das merkt man ihm an.“ Die gute Ausstrahlung an diesem idyllischen Ort können wir nur bestätigen, nebst dem bleibenden Eindruck, den die gebürtige Rheinländerin mit ihrem mehr als gelungenen Umbau bei uns hinterlässt.
Hintergrund zum Baudenkmal
Das „Wirtshaus zum Grünen Bäumle“ war bis zum Erwerb durch einen Makler im Besitz der Hasenbrauerei in Augsburg. Das Baujahr des Denkmals ist unbekannt, Stadtpläne belegen sein Bestehen jedoch zurück bis ins 17. Jahrhundert. Der Keller ist älter als das denkmalgeschützte Haus selbst, was in Augsburg keine Seltenheit ist. Keller blieben oftmals bestehen, während das Haus darüber neu errichtet wurde. Zahlreiche Pächter betrieben während der letzten Jahrzehnte das Wirtshaus, bis es zuletzt zwei Jahre leer stand. Der hintere Gebäudeteil mit Wohnungen stand im ruinösen Zustand mehrere Jahrzehnte leer. Für das Baudenkmal gab es zahlreiche Interessenten, doch niemand traute sich das Projekt wirklich zu – oder vielmehr: niemand erfasste seinen Wunsch nach der „Wiederbelebung“ so bildlich, wie es die Architektin Wencke Bauer vom ersten Augenblick an tat und ohne Zögern umsetzte.
Denkmalgeschütztes Haus im Umbau: „Wirtshaus zum Grünen Bäumle“ – Bildergalerie
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