Die Nachricht von einer Erbschaft kommt oft überraschend und löst gemischte Gefühle aus. Neben der emotionalen Komponente bringen Erbschaften auch zahlreiche rechtliche Fragen mit sich – insbesondere dann, wenn man nicht allein erbt. In solchen Fällen bildet sich automatisch eine sogenannte Erbengemeinschaft. Dieser Beitrag erklärt ausführlich, was eine Erbengemeinschaft ist, welche Rechte und Pflichten Sie als Miterbe haben und wie Sie typische Stolpersteine vermeiden.
Was genau ist eine Erbengemeinschaft?
Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch mit dem Tod einer Person, wenn mehrere Erben berufen sind. Sie ist eine Gesamthandsgemeinschaft, das heißt: Der Nachlass gehört allen Miterben gemeinsam, nicht anteilig einzelnen Personen.
Niemand kann also alleine über bestimmte Nachlassgegenstände verfügen oder diese verkaufen, solange die Erbengemeinschaft besteht. Erst nach der sogenannten Erbauseinandersetzung können die einzelnen Erben frei über ihren Anteil verfügen.
Typischerweise entsteht eine Erbengemeinschaft:
- wenn mehrere Kinder gemeinsam erben,
- wenn Ehepartner zusammen mit Kindern erben,
- oder wenn ein Testament mehrere Personen zu Erben einsetzt.
Dabei ist es unerheblich, ob die Erben gesetzlich oder testamentarisch bestimmt wurden.
Gesetzliche Erbfolge
Wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Sie bestimmt, wer in welcher Reihenfolge erbt. Grundlage ist das Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser.
Die gesetzliche Erbfolge teilt die Erben in sogenannte Ordnungen ein:
- Erste Ordnung: Kinder und deren Nachkommen (Enkel, Urenkel)
- Zweite Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten, Neffen)
- Dritte Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Nachkommen
Erben einer niedrigeren Ordnung kommen nur zum Zug, wenn keine Erben einer höheren Ordnung vorhanden sind. Ehegatten haben ein eigenes gesetzliches Erbrecht, das neben den Ordnungen steht. Die Höhe des Erbanteils hängt vom ehelichen Güterstand ab:
- Bei Zugewinngemeinschaft (Regelfall): der Ehegatte erhält ein Viertel des Nachlasses plus ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich
- Bei Gütertrennung: der Anteil richtet sich nach der Anzahl der miterbenden Kinder
- Bei Gütergemeinschaft: spezielle Regelungen je nach vertraglicher Ausgestaltung
Beispiel: Hinterlässt ein Erblasser einen Ehepartner und zwei Kinder, erhält der Ehepartner ein Drittel, die Kinder je ein Drittel. Alle drei bilden eine Erbengemeinschaft.
Wie funktioniert eine Erbengemeinschaft in der Praxis?
Nach dem Erbfall müssen sich die Erben zunächst einen Überblick über den Nachlass verschaffen. Dazu gehören Bankguthaben, Immobilien, Wertgegenstände, aber auch Schulden. Erst danach kann die Erbengemeinschaft darüber entscheiden, wie der Nachlass verwaltet oder aufgeteilt werden soll.
Alle Entscheidungen, die über die alltägliche Verwaltung hinausgehen (z. B. Verkauf einer Immobilie), erfordern Einstimmigkeit aller Miterben. Für laufende Verwaltungstätigkeiten reicht mitunter die Mehrheit.

Welche Rechte und Pflichten haben Miterben?
Miterben tragen eine besondere Verantwortung. Sie treten gemeinsam in die Rechtsstellung des Erblassers ein und bilden eine rechtliche Gemeinschaft, in der Kooperation und Transparenz essenziell sind.
Rechte der Miterben:
- Auskunftsanspruch: Jeder Miterbe hat das Recht, umfassende Informationen über den Nachlass zu erhalten. Das umfasst etwa Einsicht in Bankunterlagen, Grundbücher oder Versicherungsverträge.
- Mitverwaltungsrecht: Jeder Miterbe hat das Recht, an allen Entscheidungen mitzuwirken, die die Verwaltung und Nutzung des gemeinsamen Nachlasses betreffen. Dazu gehören sowohl alltägliche organisatorische Maßnahmen wie die Beauftragung von Handwerkern oder die Zahlung laufender Kosten als auch weitreichende Entscheidungen wie der Verkauf, die Vermietung oder Investitionen in Nachlassgegenstände. Während bei alltäglichen Verwaltungsakten oft eine mehrheitliche Zustimmung genügt, müssen bedeutsame Entscheidungen grundsätzlich einstimmig getroffen werden.
- Nutzungs- und Beteiligungsrechte: Jeder Miterbe darf den Nachlass entsprechend seinem Erbanteil nutzen und hat Anspruch auf entsprechende Erlöse aus Vermietung oder Verkauf.
- Recht auf Auseinandersetzung: Jeder Miterbe kann grundsätzlich die Auflösung der Erbengemeinschaft verlangen, sofern kein entgegenstehendes Testament vorliegt.
Pflichten der Miterben:
- Gemeinschaftliche Verwaltung: Der Nachlass muss im Sinne aller Miterben gemeinsam verwaltet werden. Dabei ist ein kooperatives Vorgehen notwendig, um den Immobilienwert zu sichern.
- Haftung für Nachlassverbindlichkeiten: Die Erben haften gemeinsam für alle Schulden, die der Erblasser hinterlassen hat. Das kann etwa offene Kredite, Steuerschulden oder Verpflichtungen gegenüber Dritten betreffen.
- Abstimmungspflicht: Entscheidungen, die über die laufende Verwaltung hinausgehen, müssen gemeinsam getroffen werden. Einzelaktionen sind in der Regel unzulässig und können sogar rechtliche Konsequenzen haben.
Zudem sind Miterben verpflichtet, ihre Mitwirkungspflicht ernst zu nehmen: Verzögerungen oder Blockaden einzelner Beteiligter können die Erbabwicklung erheblich behindern und im schlimmsten Fall zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen.
Ein offener Dialog, faire Kompromisse und ggf. professionelle Vermittlung durch einen Notar oder Anwalt können helfen, die Zusammenarbeit konstruktiv zu gestalten und Konflikte zu vermeiden.
Verwaltung und Nutzung des Nachlasses
Die Verwaltung eines Nachlasses innerhalb einer Erbengemeinschaft stellt hohe Anforderungen an Organisation, Kommunikation und rechtliches Know-how. Da der Nachlass gemeinschaftliches Eigentum aller Miterben ist, muss jeder Schritt gut abgestimmt sein.
Arten der Nachlassverwaltung:
- Ordnungsgemäße Verwaltung: Hierunter fallen alltägliche Maßnahmen zur Werterhaltung des Nachlasses, also der Instandhaltung der Immobilie, wie etwa die Sanierungspflicht, notwendige Reparaturen, Versicherungen für Hausbesitzer oder das Bezahlen von laufenden Rechnungen. Diese Entscheidungen können mehrheitlich getroffen werden.
- Außerordentliche Verwaltung: Entscheidungen von größerer Tragweite, etwa der Verkauf eines Hauses oder eines Unternehmens, bedürfen der Zustimmung aller Miterben. Die fehlende Einigkeit kann solche Prozesse erheblich verzögern.
Nutzung des Nachlasses:
Häufig entstehen Spannungen, wenn einzelne Miterben bestimmte Nachlassgegenstände exklusiv nutzen möchten, etwa Fahrzeuge oder Immobilien. Eine Nutzung durch einzelne Personen ist grundsätzlich nur mit Zustimmung der übrigen Erben erlaubt oder wenn eine faire Kompensation erfolgt. Hier wird eine Nutzungsvereinbarung nötig. Ein typisches Beispiel einer Nutzungsvereinbarung wäre, dass der Erbe, der eine geerbte Immobilie zur Eigennutzung bezieht, den anderen Miterben eine Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete bezahlt.
Verwaltungsformen:
Die Miterben können sich auf eine gemeinsame Verwaltung einigen oder einzelne Aufgaben einem Vertreter, wie etwa einem erfahrenen Miterben (ggf. wird dieser für seinen Mehraufwand entlohnt) oder einem Anwalt, übertragen. Ist keine Einigung möglich oder droht ein Interessenkonflikt, kann ein Nachlassverwalter vom Nachlassgericht bestellt werden. Dieser verwaltet den Nachlass treuhänderisch im Interesse aller Beteiligten.
Alternativ kann bereits der Erblasser in seinem Testament einen Testamentsvollstrecker einsetzen, der die Verwaltung und spätere Auseinandersetzung übernimmt.
Kosten und Verantwortung:
Die Kosten für die Nachlassverwaltung – sei es durch einen Verwalter, Anwalt oder Notar – tragen in der Regel die Miterben gemeinschaftlich. Diese Aufwendungen werden aus dem Nachlass beglichen. Praxistipp: Eine schriftliche Verwaltungsvereinbarung unter den Miterben kann helfen, Zuständigkeiten klar zu regeln, Konflikte zu vermeiden und die Erbmasse effizient zu sichern. Besonders bei größeren Nachlässen oder mehreren Erben ist dies zu empfehlen.
Was ist eine Erbauseinandersetzung?
Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt. Ziel ist die Erbauseinandersetzung, also die Aufteilung des Nachlasses und die Beendigung der Gemeinschaft. Diese kann auf vier Arten erfolgen:
- Einvernehmliche Aufteilung: Die Erben einigen sich auf einen Auseinandersetzungsvertrag, der regelt, wie der Nachlass aufgeteilt wird. Dabei müssen auch Ausgleichspflichten berücksichtigt werden, beispielsweise wenn ein Erbe den Verstorbenen zu Lebzeiten gepflegt hat. Diese Lösung erfordert die Zustimmung aller Beteiligten.
- Verkauf des Erbanteils: Jeder Miterbe hat das Recht, seinen Erbteil zu verkaufen, ohne die Zustimmung der anderen einzuholen. Dies kann an einen Dritten oder an einen anderen Miterben geschehen.
- Auszahlung: Durch die Auszahlung eines oder mehrerer Erben kann die Erbengemeinschaft verkleinert werden. Beispielsweise können Geschwister sich gegenseitig auszahlen, wobei der Verzicht auf den Erbteil durch eine Ausgleichszahlung abgegolten wird.
- Professionelle Erbabwicklung: Ein externer Dienstleister übernimmt die komplette Abwicklung der Erbauseinandersetzung. Dies beinhaltet die Verhandlung mit den Miterben, die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung und im Notfall auch die Führung eines Gerichtsprozesses. Einige Anbieter bieten diese Dienstleistung erfolgsabhängig an, sodass Kosten nur bei erfolgreicher Abwicklung entstehen.
Vor einer Auseinandersetzung sollten Schulden getilgt, Vermögenswerte bewertet und ggf. verkauft werden. Auch hier lohnt sich fachlicher Beistand.
Häufige Konflikte und wie man sie vermeidet
Erbengemeinschaften sind ein Nährboden für Streit. Unterschiedliche Interessen, emotionale Bindungen und fehlende Kommunikation sorgen für Spannungen. Typische Konflikte entstehen:
- bei der Nutzung oder Aufteilung von Immobilien,
- wenn ein Erbe im Elternhaus wohnen bleiben möchte,
- bei Verdacht auf Benachteiligung oder Misswirtschaft,
- wenn Erben weit entfernt oder schwer erreichbar sind.
Unser Rat: Eine offene Kommunikation, schriftliche Vereinbarungen und rechtzeitige Beratung durch Experten sind der beste Weg, um Eskalationen zu vermeiden.
Erbschaft ausschlagen – eine Option?
Wenn der Nachlass überschuldet ist oder sich abzeichnet, dass Streit entsteht, können Sie die Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis ausschlagen. Bei im Ausland lebenden Erben gilt eine Frist von sechs Monaten.
Die Ausschlagung muss persönlich beim Nachlassgericht oder notariell erklärt werden. Danach rückt der nächste gesetzliche Erbe nach.

Steuerliche Aspekte einer Erbengemeinschaft
Steuerlich betrachtet ist die Erbengemeinschaft kein eigenes Steuersubjekt. Jeder Miterbe wird individuell zur Erbschaftsteuer herangezogen. Dennoch gibt es steuerliche Herausforderungen, z. B.:
- bei gemeinschaftlich gehaltenen Immobilien,
- wenn Miterben unterschiedlich hohe Freibeträge haben,
- oder bei Schenkungen unter Lebenden, die auf den Erbteil angerechnet werden.
Ein Steuerberater kann helfen, die steuerliche Belastung zu optimieren und Gestaltungsspielräume zu nutzen, um mögliche Steuervorteile bei der Immobilie voll auszuschöpfen.
Sonderfall: Teilungsversteigerung
Ein besonders heikles Thema ist die Teilungsversteigerung. Wenn sich Miterben über die Nutzung oder den Verkauf einer Immobilie nicht einigen können, kann jeder Erbe die Versteigerung beim Amtsgericht beantragen. Das Haus oder die Wohnung wird dann öffentlich versteigert, was oft zu einem geringeren Erlös führt.
Tipp: Eine gütliche Einigung oder ein Verkauf an einen Dritten ist meist wirtschaftlich sinnvoller. Abseits der großen Plattformen gibt es zahlreiche Immobilienscout Alternativen, die ebenfalls effektiv dazu beitragen können, einen passenden Käufer zu finden.
Fazit: Gut informiert, besser entschieden
Eine Erbengemeinschaft ist juristisch und emotional komplex. Wer sich rechtzeitig informiert, professionellen Rat einholt und auf eine faire Kommunikation setzt, kann Streit vermeiden und den Nachlass sinnvoll gestalten.
Ob bei der Verwaltung, der Auseinandersetzung oder steuerlichen Fragen: Fachkundige Beratung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Erbabwicklung. Kontaktieren Sie uns für ein persönliches Beratungsgespräch oder werfen Sie einen Blick auf unsere weiteren Ratgeber zum Thema Erbengemeinschaft.
Häufige Fragen zur Erbengemeinschaft (FAQ)
Was passiert, wenn sich die Erben nicht einigen können? Kommt es zu keiner Einigung, kann jeder Miterbe eine Teilungsversteigerung beantragen oder die gerichtliche Erbauseinandersetzung einleiten. In manchen Fällen hilft ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, um Konflikte zu moderieren.
Kann ich meinen Anteil an der Erbengemeinschaft verkaufen? Ja, grundsätzlich können Sie Ihren Erbteil verkaufen – auch an Dritte. Die übrigen Miterben haben jedoch ein gesetzliches Vorkaufsrecht.
Wie lange besteht eine Erbengemeinschaft? Die Erbengemeinschaft besteht so lange, bis der Nachlass auseinandergesetzt ist. Es gibt keine gesetzliche Frist, aber in der Praxis ist eine frühe Regelung empfehlenswert, um Konflikte und Wertverluste zu vermeiden.
Was ist der Unterschied zwischen Erbengemeinschaft und Gemeinschaftseigentum? Eine Erbengemeinschaft entsteht durch den Erbfall und umfasst den gesamten Nachlass. Gemeinschaftseigentum ist eine zivilrechtliche Eigentumsform, z. B. bei Immobilien oder Ehegatten. Die Erbengemeinschaft ist nicht freiwillig und dient der Übergangsverwaltung.
Wie kann ich aus der Erbengemeinschaft ausscheiden? Sie können Ihren Anteil verkaufen, verschenken oder auf die Erbauseinandersetzung drängen. Ein einseitiges „Austreten“ ist nicht möglich. Auch eine Ausschlagung ist nur innerhalb der gesetzlichen Frist nach dem Erbfall möglich.